Guten Morgen alle zusammen,
das sind eine ganze Menge Fragen auf einmal. Ich werde mich bemühen so viele wie möglich zu beantworten.
Zunächst möchte ich aber erstmal ein paar Sachen klarstellen:
1. Ich bin keine Virologin und habe lediglich das für meine Arbeit nötige Grundwissen.
2. Ich Selbst beschäftige mich nicht mit der Virenproduktion und Manipulation, sondern eine Kollegin.
3. Ich bin keine Ärztin und stelle Impfstoffe weder selbst her, noch spritze ich sie irgend wem.
4. Ich bin Immunologin, ich beschäftige mich damit, wie sich das Immunsystem mit Krankheiten auseinander setzt.
Bei uns im Labor wird über Krebs und Leischmanien (intrazelluläre Parasiten,
die vorwiegend in den armen Gebieten Indiens viele Todesopfer fordern) geforscht.
Unser grosses Ziel ist es, irgendwann mal einen Impfstoff für diese Krankheiten zu entwickeln
(wenn er denn auch von einem grossen Pharmaunternehmen produziert wird,
denn damit er den Bauern in Indien auch zugute kommt, muss er extrem preiswert sein).
Ich empfinde den Ton von Herrn Lanka als entwas kontraproduktiv, dieser Satz: "Sollten Sie eine solche Publikation, besonders zu 1. nicht sofort vorlegen können, wäre bewiesen, dass Sie mindestens grobfahrlässig mit der Gesundheit Ihrer Patienten umgehen."
Ist doch etwas unfair?!?
Wenn man etwas nicht SOFORT vorlegt, dann heißt das noch lange nicht, dass es nicht da ist. Ich müsste aber selber erstmal nach den original Arbeiten suchen, denn wie gesagt, das ist eigentlich gar nicht mein Thema. Und ich habe doch gar keine Patienten, da hat Herr Lanka wohl auch was missverstanden....
So, nun aber zu den ernst gemeinten Fragen von Jannis:
1. Wie wird ein Virus in der Wissenschaft definiert?
Mein Virologie-Prof würde warscheinlich noch was an der Definition auszusetzen haben (die ist nicht aus dem Lehrbuch sondern aus meinem Gedächtnis...),
aber ich definiere ein Virus als folgendes:
Ein Virus ist ein Stück Nukleinsäure (RNA oder DNA). Es kann in eine Hülle aus Protein verpackt sein oder auch nicht (es gibt auch nackte Viren).
Ein Virus an sich würde ich nicht als Lebensform bezeichnen, da es sich alleine nicht vermehren kann.
Zur Vermehrung (und Verbreitung) benötigt das Virus eine Wirtszelle, diese wird dann vom Virus mehr oder weniger intensiv dazu gezwungen, nicht mehr die eigenen Proteine herzustellen, sondern die Virusproteine (zum Beispiel für die Hülle des Virus oder eine spezielle Virus-Polymerase, ein Enzym dass das Virus-Erbmaterial für die Zelle übersetzt, bzw. kopiert).
Bei manchen Viren ist das nicht weiter schlimm, sie sind sehr an ihren Wirt angepasst und haben im laufe der Evolution "gelernt" dass es besser ist, seinen Wirt nicht zu töten, wie z.B. CMV, Herpes Simplex oder EBV. Manche dieser angepassten Viren können sich ins Menschliche Genom integrieren. Dor überdauern sie lange Zeit, sie vermehren sich zwar nicht weiter, aber sie sind immernoch da und werden auch weiter vererbt. Aus solchen integrierten Viren sind unter anderem auch die sogenannten Transposons (springende Gene) hervorgegangen. Das menschliche Genom ist voll von integrierten Viren, mit denen haben wir so eine Art "Waffenstillstand". Aber diese integierten Viren sind einer der Gründe, warum zum beispiel Xenotransplantationen (Transplantation von Tierorganen auf Menschen) so gefährlich sind, mit den Viren im Schwein haben wir keinen "Waffenstillstand".
Tja und dann gibt es da noch, die sich noch nicht so gut an den Wirt angepasst haben, sie schädigen ihn (Schnupfen, Masern, Röteln etc. ) und werden dann vom Immunsystem bekämpft und besiegt oder sie haben Mittel und Wege gefunden das Immunsystem auszutricksen und dann stirbt der Wirt sehr häufig (HIV, Polio etc.).
2. Wie werden künstliche Viren hergestellt? (Material, Dichte, Größe, Fotos)
Das Wort "künstlich" verleitet hier vielleicht zu dem Gedanken, dass wir die Viren komplett selbst aus ein paar Chemikalien "zusammenbrauen".
So einfach funktioniert das (zum Glück) nicht.
Wir verwenden die Viren ja nicht, um die Viren selber zu erforschen, sondern als Werkzeug.
Wir nutzen sie als eine Art "Gen-Shuttle". Das heißt es handel sich um die Art von Viren, die ins Genom der Zelle integrieren. Meine Kollegin stellt (soweit ich weiß) die Viren in Wirtszellen her, unter Bedingungen, wo die Viren nicht ins Genom integrieren, sondern vermehrt werden. Und zwar so lange, bis die Wirtszelle platzt. Die Viren hat man dann im Zellkultur überstand und kann (wenn man mehr davon braucht) wieder neue Wirtszellen damit infizieren.
Da wir die Dinger als Werkzeug verwenden, haben wir nie selbst Fotos gemacht geschweige denn Grösse oder Dichte bestimmt.
Du hast ja vermutlich auch kein Foto von deinem Schraubenzieher zu Hause oder?
3. Wie werden künstliche Viren genetisch manipuliert?
Aus den hergestellten Viren kann man die Erbinformation isolieren (wenn sie nicht eh schon nackt sind, wir arbeiten aber mit verpackten Viren, die kommen besser in die Zellen rein).
Die Sequenz des Virus-Genoms ist bekannt. Mann kann selber eigene Stückchen Erbsubstanz synthetisieren und dann mit Hilfe von Enzymen (Restriktionsenzyme und Ligasen) an eine gewünschte Stelle im Virusgenom einbauen oder auch gezielt bestimmte Sequenzen aus dem Virusgenom entfernen.
Das wurde auch mit dem Virus gemacht, mit dem hier gearbeitet wird. Es wurde sozusagen der "Zünder" der Bombe ausgebaut. Daher sind diese Viren nicht mehr gefährlich.
Diese Viren haben übrigens nichts weiter mit den Impfstoffen zu tun.
Meine Kollegin nutzt die Viren um bestimmte Gene deren Funktion untersucht werden soll, in den Zielzellen abzuschalten (RNAinterferenz).
4. Was wirkt in den Impfstoffen?
Es gibt sehr viele verschiedene Arten von Impfstoffen, aktive und passive.
Welche mit denen man vor allem B-Zellen (die humorale Immunabwehr) und welche mit denen man eher T-Zellen (die zelluläre Immunabwehr) anregt.
Für die Krebs-Impfung spielen vor allem Impfstoffe eine Rolle, die die T-Zell-Antwort induzieren, denn es sollen ja die Krebszellen bekämpft werden und keine löslichen Gifte im Blut (Tetanus-Impfung).
5. Was hast Du für einen Impfstoff hergestellt? (Bitte alle Inhaltsstoffe!)
Ich selber habe (wie schon oben erwähnt) keinen Impfstoff hergestellt, aber ich kenne viele Studien (und bin auch in einigen als Monitor involviert).
Es gibt so genannte Hybridzell-Vakzine. Das ist eigentlich nur für Studienzwecke, denn es geht immer nur für einen Patienten, ist enorm teuer und aufwändig, wird also nie für die breite Masse der Bevölkerung einsetzbar sein. Hierfür werden dem Patienten Krebszellen entnommen, in Kultur vermehrt und durch Bestrahlung getötet. Dann werden sie mit (auch vorher isolierten) Immunzellen des Patienten (sogenannte Antigen-präsentierende-Zellen) fusioniert.
Das heißt es entstehen Misch-Zellen. Diese Zellen werden dann dem Patienten gespritzt.
Andere Impfstoffe bestehen lediglich aus einem einzelnen Peptid (8 bis 12 Aminosäuren) in Kochsalzlösung.
Häufig sind diesen Peptid-Vakzinen aber noch andere Stoffe so genannte Adjuvantien zugefügt um das Immunsystem auf das Peptid "aufmerksam zu machen".
Das können Öle oder Fette sein (bewirken, dass das Peptid langsamer an die Umgebung abgegeben wird) oder Zytokine (Körpereigene Stoffe) oder auch (jetzt ganz neu) so genannte TLR-Antagonisten.
Zu erklären, was die Dinger machen würde hier jetzt aber erstmal zu weit führen.
Ich werde mich in einer ruhigen Minute mal an den Computer setzen und sehen, was ich so an Publikationen finde.
Seid ihr an einem bestimmten Virus interessiert?
Damit muss ich Euch aber erstmal vertrösten, denn ich bin die nächsten zwei Wochen im Urlaub und habe da keinen Computer.
Also dann bis in zwei Wochen und schon mal ein schönes Wochenende
Liebe Grüsse
Eure
Wissenschaftlerin