Hallo Karl,
wie jedes Werkzeug, läßt sich auch die Wissenschaft zweckentfremden. Doch daß heute keine (oder kaum noch) ernsthafte Wissenschaft praktiziert wird, dem will ich widersprechen. Immerhin sind wir (auch wenn es nur, wie du sagst, 3% ernsthafte Wissenschaftler gibt) aus der Zeit der Sippenhaft raus. Gerade deshalb müssen wir, um nicht die wenigen ernsthaften Wissenschaftler mit den anderen in ein Boot zu werfen, hier unterscheiden.
Da es hier vor allem um Medizin geht, will ich mich mal auf dieses Feld beschränken. Als Konrad Röntgen die Röntgenstrahlen entdeckte und sie für die Medizin anwendbar machte, dachte er z.B. nicht an die zukünftige Entwicklung von Computertomographen und die Anwendung dieser in der GNM. Auch die Entwicklung der CTs ist eine Leistung ernsthafter Wissenschaftler. Daß jedoch Röntgenstrahlen auch schädlich sind fand man erst später raus. War Röntgen nun deshalb ein schlechter oder guter Forscher?
Auch die Wissenschaftler, die Computer entwickelten dachten nicht ans Internet oder an die medizinische Möglichkeit, diese mit Röntgenstrahlen zu einem mächtigen diagnostischen Instrument weiterzuentwickeln. Wissenschaft ist eben ein Prozeß, der gutes und schlechtes Abwerfen kann, den man kritisch betrachten muß und bei dem man oft nie weiß, was am Ende bei rauskommt; wo die Entwicklung noch hingeht.
Forschung kann billig und teuer sein. Um beim Beispiel des CTs zu bleiben oder beim Elektronenmikroskop, so etwas kann man ohne finanziellen Background nicht entwickeln und diese zwei Beispielentwicklungen wird hier wohl kaum jemand anzweifeln.
Um die guten Wissenschaftler zu motivieren, darf man nicht pauschal auf alle draufhauen. Man muß die guten Entwicklungen würdigen und die neuen gespannt (aber auch kritisch) verfolgen. Aber auch aus anfangs gut gedachten wissenschaftlichen Erkenntnissen können sich schreckliche Entwicklungen ergeben (Beispiel Atombombe). Dabei ist es nicht immer alleinige Schuld der Wissenschaftler, daß sich auch negative Folgen aus ihren Forschungen entwickeln. Der Benzinmotor hat sich zur Umweltkatastrophe entwickelt und das konnte damals niemand ahnen; jedoch sind wir für einen schnellen Rettungswagen nach einem Unfall dankbar.
Und nach einem solchen Unfall sind wir über einen gut ausgebildeten und nach modernen Erkenntnissen praktizierenden Chirurgen auch dankbar (der gehört ebenfalls zu den Schulmedizinern!). Die Methoden, mit denen neue chirurgische Verfahren (z.B. zur Versorgung von Knochenbrüchen) entwickelt werden unterscheiden sich kaum bis gar nicht von den Methoden anderer medizinischer Forschungen. Auch hier würde ich empfehlen nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten und zu Pauschalisieren.
Wenn das Forum der Wissenschaft dienen will, dann nur indem man die Methoden der Wissenschaft rein hält, indem man kritisch das aktuell (aber nicht ablehnend, den wir wissen nicht wo es sich hinentwickelt) beobachtet, das falsche benennt und (das wichtigeste) das richtige nicht diskreditiert.
Um auf Röntgen zurückzukommen, die Krebsbehandlung von Röntgenstrahlen wird hier abgelehnt, die Diagnostik mit CTs befürwortet. War er nun deshalb ein guter oder ein schlechter Forscher?
Gruß Zweifler